Dienstag, Januar 23, 2007

Der Güterbahnhof in Lippstadt - ein Szenario

Expansion Deutschland

"Wir suchen laufend:
projektierte oder bestehende Warenhaus-/Verbrauchermarkt-Projekte - mit Verkaufsflächen ab 2.500 m²

bebaute oder unbebaute Grundstücke
- mit Flächen ab 6.000 m²
- in guter zentraler oder peripherer Lage
- möglichst mit Baurecht oder Genehmigungsfähigkeit für großflächigen Einzelhandel (Sondergebiet SO oder Kerngebiet MK)
- zur Miete oder zum Kauf
- in Städten mit mindestens 10.000 Einwohner
- mit einem Einzugsgebiet von mindestens 30.000 Einwohner"


So zu lesen auf der Homepage von Kaufland (www.kaufland.de). oh, Lippstadt, da paßte aber gut ins Profil.

Nun, dann bauen wir doch mal ein Szenario in dem alle beteiligten vorkommen: Kaufland, ein Elektromarkt, Planungsgesellschaften und Architekten und die BEG. Denken wir uns mal ich wäre Geschäftsführerin der Kaufmich AG. (Alles, was nun kommt, ist frei erfunden und hat natürlich nix mit der Realität zu tun. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig)

Ok, ich habe ein Problem. Offensichtlich wollen die Städte nicht mehr, dass wir riesige Märkte auf der grünen Wiese bauen, denn die Innenstädte veröden immer mehr, der Einzelhandel stirbt weg, Vandalismus, Drogen, leerstehende Geschäfte...das mögen die Stadtväter und –mütter nicht, denn die Gunst der Wähler rettet ihre Kohle.
Und außerdem möchte ich ja gerne flächendeckend präsent sein, bevor diese Idioten von real das machen. Aldi, Lidl und Plus sind die reinste Pest und sitzen schon überall in den Stadtrandlagen.

Also möchte ich natürlich gerne in Innenstadtlagen bauen, da lassen die uns ja vielleicht hin. Das Problem ist nur: ich brauche große Flächen, sonst komme ich nicht auf meinen nötigen Umsatz und damit auch nicht auf den entsprechenden Gewinn. Parkplätze müssen auch ausreichend her, denn die Kunden wollen es bequem. Ok, sinnvoll wäre auch noch ein anderer Großer möglichst aus dem Elektrobereich direkt dabei. Am besten in einem Gebäude. Was mit dem Einzelhandel in der Stadt läuft, juckt mich nicht. Mich interessieren nur meine Kunden. Hauptsache die Laufkundschaft kommt auch noch bei mir vorbei und die ganze Sache geht flugs über die Bühne.

Was für ein schöner Tag. Mein Freund Mehlschorn hat mir grad beim Golfen erzählt, dass er nun endlich die alten Güterbahnhöfe und andere unnütze Gebäude loswerden will. Die kosten ihn nur Geld, dass er nicht hat. Hmm, diese Grundstücke sind doch alle in guter Innenstadtlage. Da lass ich mich mal fix mit dieser Organisation der Bahn verbinden...“Herr Schubert, machen Sie mir mal ein Gespräch.....“

Währenddessen surfe ich ein bisschen auf der Site der BEG:

"BAHNFLÄCHENENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT NRW

Die BEG eröffnet für die 205 Städte und Gemeinden des BahnflächenPool NRW die Chance,
„ihre“ Bahnflächen zu entwickeln,
die Flächen in die Stadtentwicklungsplanung einzubeziehen und dabei
die Entwicklung „ihrer“ Bahnflächen zu steuern und aktiv mitzugestalten.
Die BEG ist die erste und zentrale Ansprechpartnerin, um alle relevanten Informationen über die Liegenschaften zu erhalten und Entwicklungen anzustoßen. Die BEG unterstützt die Städte und Gemeinden des BahnflächenPool NRW mit einem umfangreichen Service- und Leistungsangebot. Wesentlicher Baustein der Arbeit der BEG ist die enge Abstimmung mit Verwaltung und Politik der Kommunen. Die BEG garantiert den Kommunen in jeder Verfahrensphase ein kooperatives und transparentes Vorgehen. "




Ach, guck an....Lippstadt ist auch dabei. Wo issen das? Klingt gut...ca. 70.000 Einwohner, genug Umland. Und der Schlauberger von der Planungsgesellschaft seine Finger schon drin. Klasse, der arbeitet doch mit der BEG zusammen. Die haben da nen Pool von Architekten und Planungsbüros und können die Kommunalpolitiker mit ihren Formulierungen schön um den Finger wickeln. Was besseres kann mir ja nicht passieren. Da sind 200 Kommunen in NRW im Pool. Die haben sich einwickeln lassen, denn die BEG verspricht denen Beratung, Fördermittel, Planungshilfen usw. und eben auch einen Aufschwung für die Innenstädte. Das haben die dann in der Konsensvereinbarung unterschrieben. Schön blöd, aber mir passt das gut. Das können die Politiker dann ihren Wählern als tolle Leistung verkaufen. Puh, hoffentlich hat die BEG genug Manpower um alle diese Projekte zu realisieren. Ach, die nehmen einfach 4-5 Entwürfe und variieren die, fällt ja nicht auf.

Mal gucken: ach, die Architelten aus Tralala machen da auch mit. Die Kölnarkaden laufen gut, war nen schneller und billiger Bau.

Dann wird ich mal den Schlauberger anrufen und ihm verklickern, was ich mir in Lippstadt denke.

Herr Schlauberger und Herr Schwalle machen sich ans Werk und präsentieren der Stadt Lippstadt nach kürzester Zeit einen völlig „individuellen“ Plan. Von den Kommunalpolitikern kommt hoffentlich keiner auf die Idee, mal nachzuforschen, was bei den anderen Kommunen so läuft. Es sind nämlich immer die gleichen Gutachten, nur ein bisschen angepasst. Ist ja auch klar: das Ziel steht ja vorher schon fest: „Es muß gebaut werden!“ Mehr ist nach so kurzer Zeit auch nicht drin, schließlich hatten die nur ein paar Monate. Also nimmt man eben ein paar feste Zahlen, guckt sich die Stadt mal an, bastelt etwas von der Homepage rein...“mittelalterliche Stadt“ ...super Formulierung. Klar, hier fehlt eindeutig Kaufland. Logisch. Der Rest ist eigentlich Routine. Den Stadtvätern wird der Plan schmackhaft gemacht. Da arbeiten wir mit so Formulierungen wie „ehrliches Konzept“. Betonen natürlich auch, wie positiv das alles für die Innenstadt ist, faseln was von hochwertiger Architektur – raffen die Provinzler eh nicht. Pro forma laden wir ein paar Architekturbüros zum Wettbewerb ein, aber wir deichseln das schon.

Ich lehne mich entspannt zurück und freue mich auf den Gewinn.

Dienstag, Januar 16, 2007

helge und der hitler-film

ja, ich bin dickköpfig - und ich glaube noch lange nicht alles, was ich lese oder höre. und ich mag helge, also den schneider. "alles auf zucker" von dani levy ist ein grandioser film. wenn ich an "es ist nie zu spät, jüdisch zu werden" denke, lach ich mich immer schlapp. gute gründe, warum auch der fööhrer-fölm "mein führer" auf meinem privaten kino-programm stand. die recht miesen kritiken des filmes, das gezeter der gutmenschen, helges merkwürdiges verhalten - all das konnte mich nicht abhalten.

ok, ich gebe zu: der film ist nix. eigentlich ist es noch nicht mal wirklich ein film, was daran liegt, dass zwei geschichten, die völlig unterschiedlich strukturiert sind, erzählt werden - nein, sie werden eben nicht erzählt. levy konnte sich wohl nicht entscheiden, was für einen film er denn nun drehen möchte. ein drama um die endlösung? um einen schauspieler, der in die mühlen des verhaßten regimes gerät und plötzlich mitleid mit dem total gestörten hitler hat? oder doch lieber eine farce? eine komödie über diese figur? es wird nicht das eine und nicht das andere.

gut, es gibt große momente. grünbaum (ulrich mühe), der schauspieler, zitiert angesichts der meschuggen forderung von göbbels (sylvester groth spielt den wunderbar schmierig, trashig) den berühmten satz von brandauer in der mephisto-verfilmung: "ich bin doch nur ein schauspieler". blondi bespringt den fööhrer von hinten - auch witzig. aber es paßt, wie so vieles nicht zusammen. klar, wir vermuten alle, dass adolf impotent war, ein bettnässer mit ner miesen kindheit. aber was soll das? ständig fährt levy mit angezogener handbremse durch die szenen. wird es einmal wirklich grotesk, bumms, vollbremsung. manche details sind wirklich gelungen, so das neckische rosa hakenkreuz, das die friseurin auf ihrem kittel trägt, das pompöse bettchen in das adolf näßt, das gerangel um korrekte dienstgrade...aber: es sind eben nur teile.

helge hat recht: über diesen führer kann man irgendwie nicht richtig lachen. zu wenig slapstick, zu wenig grotesk, zu politisch korrekt (ilja richter ist klasse in der rolle des lagerinsassen, der grünbaum belügen muß, aber das paßt nun gar nicht dahin).

ok, meine these: der gute levy hat irgendwann mal mit freunden nen wirklich witzigen und sicher alkoholisierten abend gehabt. danach hatte er dann ein geniales drehbuch im kopf. und je weiter das projekt fortschritt, desto mehr verließ ihn der mut. der film hat einfach keine eier.

Mittwoch, Januar 10, 2007

güterbahnhof lippstadt - kultur oder kommerz?

"wir befinden uns im jahre 2007 n.Chr. ganz deutschland ist besetzt von den "geiz-ist-geil-kauf-dich-tot"-filialisten...ganz deutschland? nein! ein von unbeugsamen westfalen und zugezogenen bevölkertes dorf hört nicht auf, dem eindringling widerstand zu leisten. und das leben ist nicht leicht für die kommunalpolitiker, die im rat der stadt sitzen..."

jaja, die städtebaulichen fehler der letzten jahrzehnte kennt man bis zum abwinken: leblose betonklötze, angebliche shopping-malls, große filialisten wie fielmann, mediamarkt, thalia verschandeln unsere schönen städte mit ihren geschmacklosen bauten und rattenfänger-schaufenstern. (geiz löst bei mir keine geilheit aus - und er führt nicht im mindestens zu irgendeinem hochgefühl)
nun erreicht dieser gipfel der geschmacklosigkeit auch meine hassgeliebte kleine stadt an der lippe. ein häßliches cineplex haben wir schon. kommentar meiner mutter: ach, ihr habt nun einen bunker? bisschen spät. nun soll es also noch mehr werden mit der anlockung der dummen käuferschicht aus dem provinziellen umland. ein neubau für große filialisten soll her. und nicht etwa weit ab von unserer historischen innenstadt, in der es sich noch gut leben läßt - nein! mitten rein soll das ungeheuer sozusagen.
dafür putzen die politiker gerne schöne alte bauten wie den güterbahnhof weg - gehts noch, leute? lippstadt als nachts tote einkaufsstadt? betonbauten statt fachwerk? kommerz statt kultur?

nix da - das wird nicht abgerissen.

Dienstag, Januar 09, 2007

kristallkind

man staunt ja immer wieder, was leute so im internet suchen. "kristallkind" ist schlichtweg der renner meines blogs. bemerkenswert. für diejenigen, die sich da nicht so auskennen, sei erklärt, dass es sich dabei um einen begriff aus der esoterik handelt.
angeblich soll es neue (richtig! die rede ist hier von mehreren..) generationen von kindern auf diesem planeten geben. da fragt sich der ungebildete laie (also auch ich): wie bitte? was soll das?

ok, die anhänger dieser idee denken, dass "mutierte" - also andere, andersartige kinder mit besonderen fähigkeiten auf diesen planeten kommen (woher? warum?), um uns eine neue ebene des bewußtseins zu bringen. (jaja, ich weiß, das ist recht verkürzt dargestellt) den anfang sollen die sog. indigo-kinder gemacht haben - nun sind wohl die kristallkinder am start.

drehen wir das ganze mal um, stellen wir schnell fest: guck auf denjenigen, der sowas von sich gibt. das hat ja so einen gewissen heils-erlöser-rette-mich-charakter. ok. wer will da gerettet werden? wohl offensichtlich die leute, die solchen theorien anhängen. also: es gibt anscheinend eine menge leute, die mit der momentanen realität nicht klarkommen. ich gebezu: da läuft ne menge schief, keine frage. aber warum dann sich eine erlöser-theorie stricken? wohl doch nur, damit man selbst sich ein bissi besser fühlt, ein wenig weniger ohnmächtig, ein bisschen "erhabener".

"ich bin die mama eines kristallkindes" - wer sowas sagt, hat ein problem. nein, mehrere.
zunächst mal offensichtlich ein problem mit seinem selbstbewußtsein. kommt ja schon gut, wenn man eingeweihten gegenüber sowas loslassen kann. und dann unwissenden gegenüber fühlt man sich gleich besser.
dann wohl auch definitiv ein problem mit seinem kind. hallo!!! kinder sind wie sie sind. und nicht jedes kind ist außergewöhnlich oder irgendwie ein star. leute, guckt weniger in die glotze.
das problem ist nur: unser heutiges schulsystem läßt nur das 08/15-kind gelten. alle anderen haben fix probleme. kenne ich, erlebe ich jeden tag. die lösung liegt aber nun sicher nicht darin, das kind zum kristallkind hochzustilisieren. wie wäre es denn mal damit, dass kind einfach zu nehmen, wie es ist. und wenn es nicht ins schema paßt - wunderbar.
wenn ich mir überlege, wieviele indigos, kristall- und sonstwaskinder auf diesem planeten rumzischen, wird mir ganz komisch. und dann bekommen die noch kristalle aufgelegt, kügelchen reingeschoben, ständig irgendwelche therapien - hilfe. die armen blagen. ne gesunde portion selbstbewußtsein täte es da auch.