Freitag, Dezember 19, 2008

Gesamtschule für Lippstadt oder lieber alte Besen?

Wer, wie ich, stets aufmerksam und gewogen die Berichterstattung unserer Heimatzeitung verfolgt, stieß in den letzten Tagen immer wieder auf das Thema Gesamtschule. Einerseits beherrschte es die redaktionellen Themen - andererseits tauchten vermehrt Bürgermeinungen dazu auf. Grundtenor dieser Leserbriefe war und ist der Wunsch nach der Einrichtung einer Gesamtschule, wie auch hier.

Was mich dann sehr erstaunte, war folgender Leserbrief, der das hohe Loblied der Hauptschule singt.

„Never change a winning horse“, heißt es in einem englischem Sprichwort. Davon scheinen die Befürworter der Gesamtschule noch nichts gehört zu haben. Denn ob diese Schulform sich langfristig zu einem „winning horse“ entwickeln wird, halte ich für äußerst fragwürdig. Man berücksichtige in dem Zusammenhang nur die Ergebnisse der Zentralen Abschlussprüfungen nach Klasse 10, bzw. der Lernstandserhebungen am Ende der Jahrgangsstufe 8, bei denen die Gesamtschulen in den meisten Fällen unter denen der anderen Schulformen lagen.
Nach meinen Informationen liegt im Kreis Soest die Zahl der Schülerinnen und Schüler aus der Sekundarstufe I, die in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis vermittelt werden können, bei den Hauptschulen weit vor der Zahl der anderen Schulformen. So schlecht scheint der Ruf dieser Schulform in der Wirtschaft nicht zu sein."


Merkwürdig, dass so ganz andere Informationen hier zu erhalten sind:

Jeder zweite Hauptschüler hat auch 13 Monate nach Schulabschluss noch keine berufliche Ausbildung gefunden.
30 Monate nach Schulende konnten immer noch 40 Prozent der Hauptschüler nicht in eine qualifizierte Berufsausbildung vermittelt werden.
Besonders groß sind die Probleme für junge Männer ohne Hauptschulabschluss oder mit nur schlechten Noten sowie für Migrantenkinder. (Wie sich diese Situation aus Sicht der Betroffenen darstellt, können wir heute im Patriot nachlesen.)
Das duale System von betrieblicher Lehre und Berufsschule habe eine seiner «traditionell großen Stärken» eingebüßt, «Kinder aus bildungsschwächeren Gruppen durch Ausbildung beruflich zu integrieren».
Mit wachsender Kinderarmut verschärfe sich das im deutschen Bildungssystem ohnehin vorhandene Problem der fehlenden Chancengleichheit - selbst bei gleich intelligenten Kindern aus Unterschichts- wie aus Akademikerfamilien.

Hmm, also scheint die Hauptschule nun doch nicht soooo irre gut zu sein. Und wie sieht es eigentlich mit dem üblichen Vorurteil aus, Gesamtschulen seien schlechter, als andere Schulen? Auch nicht so wirklich wahr, vermute ich.

Auf der Seite des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes NRW lese ich, dass die integrierte Gesamtschule in Bonn-Beuel (schäl sick ess schick)zu den besten fünf Schulen Deutschlands gehört - amtlich bestätigt.

Auch sehr spannend, was der VBE dazu sagt:

"VBE: Leistungen der Gesamtschulen anerkennen!
Dortmund, 29.08.2008 "Die heute von der Bochumer Schulforscherin Gabriele Bellenberg vorgelegten Zahlen zur Gesamtschuloberstufe sprechen eine deutliche Sprache für die Leistungen dieser Schulform", kommentiert der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. "Dass es den Gesamtschulen gelingt, 90 Prozent der Oberstufenschülerinnen und –schüler zur Fachhochschulreife oder dem Abitur zu führen, kann sich sehen lassen."

In den vergangenen Wochen ist in Bezug auf die Gesamtschulen vieles vermischt und aus einem eingeschränkten Blickwinkel dargestellt worden. Wer die Leistungen der Gesamtschulen innerhalb des nordrhein-westfälischen Schulsystems wirklich einordnen will, muss sie konsequenterweise mit den Leistungen des gegliederten Schulsystems und nicht ausschließlich mit denen der Gymnasien vergleichen. Bellenberg weist zu Recht darauf hin, dass die alleinige Betrachtung der Sekundarstufe II kein vollständiges Bild von den Leistungen dieser Schulform ergeben kann."

Ähnliches kann man dann auch noch auf der Homepage des WDR nachlesen.

Fazit: An dem Vorurteil, Gesamtschulen seien so extrem schlecht, ist wenig bis gar nichts. Es gibt halt immer gute und schlechte Schulen.
Das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem ist mitnichten zukunftsorientiert, sondern eher im schlechten Sinne konservativ. Mit Sicherheit ist es kein "winnig horse" (erinnert mich ja eher an Pferdewetten, sondern ein alterschwacher Gaul, dem man keine Rennen mehr zumuten sollte.


Wisse: Man informiere sich besser, bevor man irgendwelche halbgaren Meinungen kolportiere.

Keine Kommentare: